Der Fuchs (lateinisch: Vulpes vulpes)  © 1996 by Dieter Haase

ist ein hundeartiges Raubtier mit langer spitzer Schnauze, buschigem Schwanz, hochstehenden Ohren und funkelnden Augen. Da er einen hervorragenden Geruchssinn besitzt, wittert er den Menschen auf weite Entfernung. Daß ihm List und Schlauheit zugeschrieben werden, verdankt der Fuchs wohl vor allem seiner großen Vorsicht und Scheu.

Da Ihr aber im Moment nicht die "Allgemeine Jägerzeitung" oder die Broschüre "Heimisches Wild in Wald und Flur" lest, geht es hier im folgenden natürlich um den Fuchs beim Billardspiel, also um das Eingreifen der Glücksgöttin Fortuna in den Lauf der Bälle.

Jeder Sportler kennt diese 'kleinen Hilfen' durch mehr oder weniger Glück: der Rennfahrer, der mit dem letzten Tropfen Benzin ins Ziel kommt; der Fußballtorwart, wenn der Ball von Pfosten zu Pfosten springt und nicht im Tor landet; der Tennisspieler, dessen Volley in Netzkante berührt und unerreichbar für den Gegner auf die Linie springt. Und beim Billard ist es eben der willkommene oder verhasste Fuchs.
Billardspieler beurteilen die Füchse zunächst nach der Größe. Allerdings unterscheidet sich die Beurteilung beim Spieler deutlich von der seines Gegners. So ist das 'Füchslein' des einen ein 'Riesenfuchs' für den anderen.
Besonders beim Dreibandspiel ist fast immer eine bestimmte Anzahl von Füchsen zu beobachten. Im allgemeinen beträgt der normale Fuchsanteil pro 20 bis 25 Aufnahmen eines dieser rotbraunen Tierchen. Wer diesen Wert überschreitet darf sich nicht wundern, als 'Fuchszüchter', 'Masselprinz' oder 'Glücksritter' bezeichnet zu werden. Mathematiker bringen dieses Problem auf eine einfache Formel:

Füchse ÷ Aufnahmen = Fuchsquotient

Mit dieser Rechnung kann jeder bei sich selber mal nachrechnen.

Aber was sind nun alles Füchse? Grob unterteilt gibt es 10 Arten von Füchsen, wobei es zwischen den verschiedenen Arten auch häufig zu Mischformen kommt.

1. Der zahme Fuchs (auch Füchslein genannt): Der Punkt wäre sowieso gekommen. Der Klapper oder Konter macht den Ablauf nur interessanter.

2. Der Wildfuchs (auch Riesenfuchs genannt): Kräftiger Tusch bringt Leben in den Spielball, dieser flitzt über die Spielfläche, von Bällen und Banden mehrfach abgelenkt, um endlich herzhaft zu karambolieren.

3. Der springende Fuchs: Der Spieler kickst, der Ball springt und hoppelt über die Spielfläche seinem Ziel entgegen.

4. Der Rotfuchs: Der rote Ball korrigiert durch Konter den Lauf des Spielballes zur gültigen Karambolage.

5. Der Endfuchs: Das Spiel wird mit einem Fuchs beendet. Ein solcher Endfuchs hat auch etwas Positives: Er tritt pro Partie höchstens einmal auf

6. Der Revanchefuchs: Ein Fuchs des Gegners wird sofort mit einem Gegenfuchs beantwortet.

7. Der unsichtbare Fuchs: Tritt häufig auf. Nur der Spieler weiß, dass es sich um einen solchen handelt, sagt dies aber nicht und spielt ungerührt weiter. Enorme Dunkelziffer!

8. Der schwanzlose Fuchs: Bei diesem armen Tierchen hat der Spieler sofort nach dem Fuchs seine Serie (unfreiwillig) beendet. In manchen Gegenden wird diese Spezies auch als folgenloser Fuchs bezeichnet.

9. Der langschwänzige Fuchs: Das Gegenteil der vorherigen Art. Riesige Serien sind die Folge.

10. Der Halbfuchs: Hierbei handelt es sich um die häufigste Art der Gattung. Der Spielball entgeht knapp dem Konter und/oder karamboliert hauchdünn.

Das bösartigste unter allen diesen Exemplaren ist allerdings der Killerfuchs. Er ist keine eigenständige Rasse, sondern kann jede Fuchsform annehmen. Er tritt in einem solch ungünstigen Moment auf (z.B. als Turnierentscheidung), dass der Gegner sofort sein Queue zerbricht und mit dem Billardspielen aufhört, und der Sieger vom Billard zum Roulett wechselt. Solche Füchse machen jeden Verein kaputt.
Eine Schwierigkeit gibt es immer wieder. Nicht alle Füchse sind leicht zu entdecken. Sie verstecken sich gerne hinter Äußerungen wie "Genau so sollte der Ball laufen" oder "Der wäre sowieso gekommen". Besonders faire Spieler entdecken die Füchse häufiger als andere. Ein 'Entschuldigung' oder eine entsprechende Handbewegung weisen auf ihn hin, auch wenn er nicht für jeden sichtbar ist. Bedeutend häufiger als ausgewachsene Tiere treten die Halbfüchse auf. Obwohl sie öfter vorkommen, sind sie äußerst schwer zu sehen. Manche Spieler registrieren sie überhaupt nicht bzw. wollen sie nicht wahrhaben.

Eigentlich ist der Fuchs ein Einzelgänger. Aber des öfteren sind auch schon ganze Horden gesichtet worden. Diese Rudel sind selten 'reinrassig', d.h., sie setzen sich aus den verschiedensten Fuchsarten zusammen, wobei die meisten Exemplare dem Halbfuchs zugeordnet werden müssen. Diese Rudel sind eigentlich ungefährlich (für Leib und Leben), es sei denn der Gegner begreift Billard als Glücksspiel und hat ein dünnes Nervenkostüm. Bei ihm können solche Rudel zu Wutausbrüchen, nervösen Zuckungen, Kreislaufattacken, Magengeschwüren sowie Mord- und Selbstmordgedanken führen, meist wird er aber nur fuchsteufelswild.
Im allgemeinen verbreiten Fuchsrudel aber nur Abscheu (beim Gegner) sowie Heiterkeit und Frohsinn (beim Spieler und den Zuschauern). In Bezug auf den Artenschutz muß sich die Billardwelt keine Gedanken machen. Zwar ist der Fuchs im eigenen Spiel fast vom Aussterben bedroht, aber im Spiel der Gegner wird er ausgesprochen häufig gesehen. Eine Frage konnte ich bisher noch nicht klären:
Was versteht man eigentlich unter einem besonders ausgefuchsten Spieler?



Internationale Versuche, den Fuchs auszurotten

Auch höchste Gremien mussten sich mit dem Fuchs befassen. Die Generalversammlung des Weltbillardverbandes 1948 lehnte nach langen Beratungen einen Antrag des französischen Billardverbandes ab, der beinhaltete, dass Dreibänder, bei denen ein Tusch stattfindet, nicht anerkannt werden sollen. Auslösend für diesen Antrag war der offensichtlich an einer Vulpesphobie leidende französische Cadre-Weltmeister Jean Albert. Auch Georges Troffaes, damals Präsident des belgischen Billardverbandes und späterer Weltverbandspräsident, befürwortete in einem Leitartikel im November 1947 dieses Vorhaben. Auch Robert Court, der Präsident des Deutschen Billard Bundes, ergriff die Feder und schrieb: "Theoretisch ist der Vorschlag gewiss beachtenswert. Aber diese Erschwerung sollte lediglich für Berufsspieler Anwendung finden; denn wo soll der Amateur, der noch einen Beruf ausübt, die nötige Muße finden, sich in das Studium des Tusches zu vertiefen?"
Nach 1955 wurde in einem Artikel in der Deutschen Billardzeitung ein Vorschlag von Ernst Wurdak abgedruckt, der Füchse wohl gelten ließ, aber dem Verursacher das Recht auf Weiterspiel entzog, damit der Fuchs keine Jungen bekommen kann. Alle diese Vorschläge wurden vor allem durch die Schiedsrichter zu Fall gebracht, die sich nicht in die Hamlet-Rolle von 'Sein oder nicht sein' bzw. 'Fuchs oder nicht Fuchs' hineindrängen lassen wollten.
Somit sind bisher alle Versuche, den Fuchs auszurotten, gescheitert. Er lebt weiterhin mitten unter uns.



Ohne Fuchs nichts los

Sensationell spielten erstmals in ihrer langen Billardkarriere (also seit ca. 23 Jahren) Dieter Haase und Werner Kilian in einer Partie Dreiband keinen Fuchs. Weder kleine noch große, besonders schöne oder hässliche Füchse waren zu sehen, noch nicht einmal ein Halbfuchs. Diese äußerst positive Nachricht erhält allerdings einen gehörigen Dämpfer, wenn man das Ergebnis betrachtet. Der Durchschnitt war entsprechend, die Partie endete 15 zu 15 in 50 Aufnahmen. Es ist davon auszugehen, daß sich das Wunder der fuchslosen Partie in den nächsten Jahren nicht wiederholen wird, zumal es beide Spieler schon wegen des Durchschnittes nicht darauf anlegen.