Da Ihr aber im Moment nicht die "Allgemeine Jägerzeitung" oder die Broschüre "Heimisches Wild in Wald und Flur" lest, geht es hier im folgenden natürlich um den Fuchs beim Billardspiel, also um das Eingreifen der Glücksgöttin Fortuna in den Lauf der Bälle.
Jeder Sportler kennt diese 'kleinen Hilfen' durch mehr oder weniger Glück: der
Rennfahrer, der mit dem letzten Tropfen Benzin ins Ziel kommt; der
Fußballtorwart, wenn der Ball von Pfosten zu Pfosten springt und nicht im Tor
landet; der Tennisspieler, dessen Volley in Netzkante berührt und unerreichbar
für den Gegner auf die Linie springt. Und beim Billard ist es eben der
willkommene oder verhasste Fuchs.
Billardspieler beurteilen die Füchse zunächst nach der Größe. Allerdings
unterscheidet sich die Beurteilung beim Spieler deutlich von der seines Gegners.
So ist das 'Füchslein' des einen ein 'Riesenfuchs' für den anderen.
Besonders beim Dreibandspiel ist fast immer eine bestimmte Anzahl von Füchsen zu
beobachten. Im allgemeinen beträgt der normale Fuchsanteil pro 20 bis 25
Aufnahmen eines dieser rotbraunen Tierchen. Wer diesen Wert überschreitet darf
sich nicht wundern, als 'Fuchszüchter', 'Masselprinz' oder 'Glücksritter'
bezeichnet zu werden. Mathematiker bringen dieses Problem auf eine einfache
Formel:
Füchse ÷ Aufnahmen = Fuchsquotient
Mit dieser Rechnung kann jeder bei sich selber mal nachrechnen.
Das bösartigste unter allen diesen Exemplaren ist allerdings der
Killerfuchs. Er ist keine eigenständige Rasse, sondern kann jede
Fuchsform annehmen. Er tritt in einem solch ungünstigen Moment auf (z.B. als
Turnierentscheidung), dass der Gegner sofort sein Queue zerbricht und mit dem
Billardspielen aufhört, und der Sieger vom Billard zum Roulett wechselt. Solche
Füchse machen jeden Verein kaputt.
Eine Schwierigkeit gibt es immer wieder. Nicht alle Füchse sind leicht zu
entdecken. Sie verstecken sich gerne hinter Äußerungen wie "Genau so sollte der
Ball laufen" oder "Der wäre sowieso gekommen". Besonders faire Spieler entdecken
die Füchse häufiger als andere. Ein 'Entschuldigung' oder eine entsprechende
Handbewegung weisen auf ihn hin, auch wenn er nicht für jeden sichtbar ist.
Bedeutend häufiger als ausgewachsene Tiere treten die Halbfüchse auf. Obwohl sie
öfter vorkommen, sind sie äußerst schwer zu sehen. Manche Spieler registrieren
sie überhaupt nicht bzw. wollen sie nicht wahrhaben.
Eigentlich ist der Fuchs ein Einzelgänger. Aber des öfteren sind auch schon
ganze Horden gesichtet worden. Diese Rudel sind selten 'reinrassig', d.h., sie
setzen sich aus den verschiedensten Fuchsarten zusammen, wobei die meisten
Exemplare dem Halbfuchs zugeordnet werden müssen. Diese Rudel sind eigentlich
ungefährlich (für Leib und Leben), es sei denn der Gegner begreift Billard als
Glücksspiel und hat ein dünnes Nervenkostüm. Bei ihm können solche Rudel zu
Wutausbrüchen, nervösen Zuckungen, Kreislaufattacken, Magengeschwüren sowie
Mord- und Selbstmordgedanken führen, meist wird er aber nur fuchsteufelswild.
Im allgemeinen verbreiten Fuchsrudel aber nur Abscheu (beim Gegner) sowie
Heiterkeit und Frohsinn (beim Spieler und den Zuschauern). In Bezug auf den
Artenschutz muß sich die Billardwelt keine Gedanken machen. Zwar ist der Fuchs
im eigenen Spiel fast vom Aussterben bedroht, aber im Spiel der Gegner wird er
ausgesprochen häufig gesehen. Eine Frage konnte ich bisher noch nicht klären:
Was versteht man eigentlich unter einem besonders ausgefuchsten Spieler?
Auch höchste Gremien mussten sich mit dem Fuchs befassen. Die Generalversammlung
des Weltbillardverbandes 1948 lehnte nach langen Beratungen einen Antrag des
französischen Billardverbandes ab, der beinhaltete, dass Dreibänder, bei denen
ein Tusch stattfindet, nicht anerkannt werden sollen. Auslösend für diesen
Antrag war der offensichtlich an einer Vulpesphobie leidende französische
Cadre-Weltmeister Jean Albert. Auch Georges Troffaes, damals Präsident des
belgischen Billardverbandes und späterer Weltverbandspräsident, befürwortete in
einem Leitartikel im November 1947 dieses Vorhaben. Auch Robert Court, der
Präsident des Deutschen Billard Bundes, ergriff die Feder und schrieb:
"Theoretisch ist der Vorschlag gewiss beachtenswert. Aber diese Erschwerung
sollte lediglich für Berufsspieler Anwendung finden; denn wo soll der Amateur,
der noch einen Beruf ausübt, die nötige Muße finden, sich in das Studium des
Tusches zu vertiefen?"
Nach 1955 wurde in einem Artikel in der Deutschen Billardzeitung ein Vorschlag
von Ernst Wurdak abgedruckt, der Füchse wohl gelten ließ, aber dem Verursacher
das Recht auf Weiterspiel entzog, damit der Fuchs keine Jungen bekommen kann.
Alle diese Vorschläge wurden vor allem durch die Schiedsrichter zu Fall
gebracht, die sich nicht in die Hamlet-Rolle von 'Sein oder nicht sein' bzw.
'Fuchs oder nicht Fuchs' hineindrängen lassen wollten.
Somit sind bisher alle Versuche, den Fuchs auszurotten, gescheitert. Er lebt
weiterhin mitten unter uns.
Ohne Fuchs nichts los
Sensationell spielten erstmals in ihrer langen Billardkarriere (also seit ca. 23
Jahren) Dieter Haase und Werner Kilian in einer Partie Dreiband keinen Fuchs.
Weder kleine noch große, besonders schöne oder hässliche Füchse waren zu sehen,
noch nicht einmal ein Halbfuchs. Diese äußerst positive Nachricht erhält
allerdings einen gehörigen Dämpfer, wenn man das Ergebnis betrachtet. Der
Durchschnitt war entsprechend, die Partie endete 15 zu 15 in 50 Aufnahmen. Es
ist davon auszugehen, daß sich das Wunder der fuchslosen Partie in den nächsten
Jahren nicht wiederholen wird, zumal es beide Spieler schon wegen des
Durchschnittes nicht darauf anlegen.